Warum fällt es uns so schwer auszusprechen, was doch eh jeder weiß? Wir müssen abspecken – nicht (nur) an den Hüften, sondern bei unserem Kaufverhalten.
Tina Paulus – Klimaschutzmanagerin Landkreis Nürnberger Land; mit dem „sauren Regen“ und dem „Waldsterben“ groß geworden und als Geographin von Natur aus an den Zusammenhängen interessiert. Mutter von zwei Kindern, Eigentümerin von fünf Fahrrädern und einem Auto, wohnhaft in einer viel zu großen, aber günstigen 3 Zimmer-Mietswohnung.
Ich würde von mir selbst behaupten, ich kaufe bewusst ein. Ich bilde mir sogar ein, dass ich mich von Werbung eigentlich nicht in meinem Kaufverhalten beeinflussen lasse. Eigentlich…Und dann finde ich mich im nächsten Drogerieladen wieder. Der Name eines solchen Ladens an sich macht es schon deutlich „DROGE“rie. Ja, frau wird hier gern mal süchtig. Süchtig nach den vermeintlich nützlichen Dingen. Da legt man guten Gewissens die schön designten Naturkosmetikprodukte in den Wagen. Duschgel, Shampoo, Creme, alles „öko“. Dann noch das Bio-Müsli und den neuen Wellnesstee mit Fairtrade-Siegel. Lauter Produkte, die wir brauchen und mit denen wir auch das beruhigende Gefühl mit einkaufen, dass wir uns „politisch“ korrekt verhalten haben. Nein – nicht nur korrekt: Wir „Ökos“ sind die Guten! Schaut nur in meinen Einkaufswagen: Alles bio, alles fair, alles saisonal und zertifiziert.
Schwupp! Da hat es mich dann doch erwischt! Die Konsumfalle ist zugeklappt. Mist. Zuhause stelle ich dann frustriert den fairen Tee, der mich harmonisch durch den Tag begleiten soll, neben den Tee, der mich glücklich macht und den Yogi-Tee, den mit Kakaoschalen (schmeckt mir gar nicht) und den mit Melisse. Eine Auswahl – fast wie im Teeladen. Dabei trinke ich eigentlich viel lieber Kaffee.
Deshalb mein Vorsatz für die nächsten Wochen – und hoffentlich auch die Zeit danach: Ich werde nicht nur beim Lebensmittelkauf die Augen offen halten und mein Gehirn anschalten. Ich werde in Zukunft auch bei den vermeintlich nützlichen Dingen des täglichen Gebrauchs bewusster werden. Weniger ist mehr!
Wenn ich zum Beispiel statt dem Duschgel für mich, dem für meine Tochter, dem für meinem Sohn und dem für meinen Partner nur noch eines in der Duschkabine platziere, dass uns alle gleichermaßen sauber macht und dessen Duftnote neutral ist, ja dann hätte doch endlich auch wieder mein Shampoo in der Ablage Platz. Und das Shampoo von der Tochter und das vom Sohn…
Meinen täglichen Kaffeekonsum im Büro werde ich auch halbieren. Bin auf Tee (davon habe ich ja reichlich) und Leitungswasser umgestiegen.
Ganz ohne Kaffee geht es allerdings nicht.
Ob das etwas mit unserem Job zu tun hat…?
Und nun noch ein Blick auf meine persönliche CO2-Bilanz:
Gar nicht soooo schlecht. Aber klar: Da geht noch was! Ansatzpunkte bieten die Ernährung und der Konsum. Bei den anderen Themen tue ich mich persönlich schwer. Mobilität am Land ist mit Kindern ohne Auto theoretisch sicher irgendwie möglich. Aber ganz so radikal möchte ich meinen Lebensstil nicht verändern. Und ja, auch ich reise gerne. Nicht mit dem Flugzeug, aber eben ab und an mit dem Auto. Vielleicht wäre ein nachbarschaftliches Autoteilen eine Option für die Zukunft?
Beim Stromverbrauch bin ich ein kleines bisschen Stolz auf mich! Aber ich gebe zu, bedingt durch diverse Umzüge war ich gezwungen mir in regelmäßigen Abständen neue Haushaltsgeräte anzuschaffen. Ich konnte problemlos alle Leuchtmittel auf LED umrüsten und habe keine Standby-Geräte am Netz.
Dafür bin ich beim Heizverbrauch – wie die meisten Mieter – gebunden. So schön meine Altbauwohnung ist – sie hat eben auch Nachteile.
Bei der Ernährung bemühe ich mich um eine fleischarme Kost. Ich selbst esse gerne vegetarisch und ab und an vegan. Meine Kinder tun dies genauso ungern, wie bereits im Blog zitierter „Junior“. Aber zum Beginn der Fastenzeit haben wir es immerhin schon mal geschafft, die heißgeliebten Speckwürfel in den Nudeln und in der Suppe durch Röstzwiebeln zu ersetzen. Immerhin. Ich brauche ja auch noch Ziele für die nächste Fastenzeit…
Persönliche Empfehlung
Mein persönlicher Tipp ist eigentlich keine Website und auch kein Buch. Es ist die Lebensgeschichte eines Mannes, der beim jährlichen Fasten die Erkenntnis gewonnen hat, dass er sein Leben umbauen muss:
Die Botschaft: Höre auf und fange neu an – klein, überschaubar und mit menschlichem Maß.
Karl Ludwig Schweisfurth – “Der Alte” von Herrmannsdorf.
Ich hatte die Gelegenheit ihn persönlich kennenlernen zu dürfen. Eine beeindruckende Persönlichkeit! Jeder der die Chance hat diesem Mann einmal zuzuhören, sollte diese nutzen. Wer dies nicht kann, hat die Möglichkeit im Internet mehr über ihn und sein Lebenswerk zu erfahren:
https://www.herrmannsdorfer.de/
Übergabe des Staffelstabs
Hidir, bestimmt hast Du auch einiges zu berichten!!
Fotos: Tina Paulus, Ulrich Büscher, http://www.pixabay.de
Screenshots: http://www.schweisfurth.de, http://uba.co2-rechner.de/de_DE/
Liebe Tina,
vielen Dank für deinen inspirierenden Beitrag. Es ist tatsächlich ein Wahnsinn, welche Bedürfnisse in uns geweckt werden. Ein Duschgel reicht nicht, es muss das Duschgel für die Frau, den Mann, den Sohn, die Tochter sein. Mit Rittern darauf und mit Feen. Wir können – laut Werbung – durch einen einfachen Vorhang wie das Duschen verschiedene Eigenschaften erwerben. Es gibt Duschgels die uns attraktiv machen sollen, Duschgels für Sportliche. Und das ist nur eine Produktgruppe unter unzähligen.
Bitte berichte doch, wie es deiner Familie und dir ergangen ist, mit der Konsumeinschränkung. Es würde mich sehr interessieren!
Liebe Tina,
ich finde, Du gibst mit “weniger ist der neue Luxus” ein super Motto für uns und unsere Fastenstaffel vor.
Es ist doch irgendwie ein Luxus, nicht alles haben zu müssen, das spart soooo unheimlich viel Zeit. Hinzu kommt, dass moderne Luxusprodukte uns vor schier unendlich viele Alternativen stellen, ob es Technik, Tarife oder Zusatzfunktionen mit Apps etc. sind, quasi eine Wissenschaft für sich … Viele Konsumenten empfinden gerade das als positive Herausforderung und Konsum als die Welt der Selbstverwirklichung. Kaufen ist ja auch die viel einfachere Variante, Wünsche zu erfüllen, nur die Freude darüber hält meist nicht lange an. Leider haben viele Menschen einen öden Alltag, monotone Arbeit, da schafft ein bisschen Konsum schnelle Abhilfe und der Urlaub verspricht die Abenteuer, die das normale Leben vermissen lässt – gerne lässt man sich dabei aber die Vorbereitungen bequem vom Reisebüro abnehmen und “all inclusive” lässt sich das Abenteuer doch entspannter angehen!
Da haben wir, die sich kreativ im Beruf einbringen können, es doch viel besser, ich weiß das sehr zu schätzen. Aber das Sich-Einbringen ist leider heute keine Selbstverständlichkeit mehr, dabei böten ganz viele Vereine und ehrenamtliche Tätigkeiten die Möglichkeit, ein bisschen am großen Rad mitzudrehen, etwas Wichtiges zu tun, auch ein bisschen “Abenteuer” und Selbstbestätigung zu erfahren. Doch heute müssen bereits die Schüler so viel lernen, in der Schule und in der Förderung der persönlichen Talente, dass für Vereine und das Abenteuer mit den Kameraden in der Freizeit keine Zeit mehr bleibt.
Konsum als Trostpflaster für fremdgesteuertes Leben, der schnell zur Droge werden kann, wie Du, Tina, das so schön für den Einkauf in der DROGErie beschrieben hast. 🙂
Übrigens bin ich begeistert von Deinem Einkaufsbegleiter Kermit! Ich hoffe, er hält das Geld fest in der Hand und in die Taschen passen auch nur die wichtigen Dinge des Lebens rein!
Ein schönes Wochenende
wünscht
Susanne
Liebe Tina,
Dein Beitrag spricht mir aus dem Herzen und ist so schön geschrieben, dass ich ihn gleich meiner Frau vorgelesen habe. Auch ich bin ja “Generation Waldsterben” und habe mich in vielen deiner Punkte wiedergefunden. Es ist tatsächlich eine Falle, in die wir leicht tappen: Durch Konsum von ökopolitisch korrekten Produkten drehen wir die Wachstums- und Ressourcenverbrauchsspirale weiter. Außerdem sind Grüne Produkte eben auch ein gut sichtbares Zeichen, welch tolle Umweltschützer wir sind. Das Elektroauto oder die PV Anlage sind eben auch Statussymbole. Derjenige, der ganz aufs Auto verzichtet, verhält sich viel umweltbewusster aber er hat kein Symbol für diesen Status. Ich glaube daher, wir brauchen wirksame “Verzichtssymbole”, da uns allen Anerkennung gut tut. Wenn Bescheidenheit genauso Wertschätzung und Bewunderung erfährt wie sie Tesla-Fahrer erfreut, wären wir ein gutes Stück weiter.
Lieber Bernd,
komisch, dass der Mensch scheinbar immer Statussymbole braucht, auch wenn sich diese um 180° ändern können: War es früher mal der Bauch und die Schnurre beim Mann und breite Hüften und hohe Steckfrisuren bei den Frauen, präsentieren wir heute gerne unsere sportlichen Körper und unser finanzielles Leistungsvermögen in Form von Luxusprodukten wie flotte Autos etc. Anscheinend suchen wir immer nach einfachen Merkmalen, mit denen wir andere Menschen beurteilen können, da helfen Statussymbole ungemein. Heute sollten wir eigentlich schlauer sein und wir selbst können zumindest versuchen, das Spiel nicht mitzuspielen oder neue Regeln festzulegen – wie Tina mit ihrem tollen Motto.
Beste Grüße
Susane